„Geld“ und „Keim“

Geld hat die Kraft sich zu vermehren. Lange galt es als Sünde, davon zu profitieren. Der Zins war des Teufels; er war so etwas wie ein Bankert, ein außerhalb der Ehe gezeugtes Kind: Chaos, das die kosmische Ordnung bedroht. Das war sicher eine allzu rigide, auch allzu weltferne Vorstellung, und mit der Zeit wurde sie denn auch, nicht minder rigide, in ihr gerades Gegenteil gewendet: „Private Vices, Publick Benefits“, schrieb Bernard Mandeville 1714 – die Habgier des Einzelnen, bis dahin eine der sieben Todsünden, nütze der ganzen Gesellschaft, indem sie den allgemeinen Wohlstand mehrt. Das neue Credo führte zu unserem heutigen Wirtschaftswesen. Dessen Ordnungsrahmen ist nicht mehr von Gott, sondern von Menschen gemacht; also erforschte man auch nicht mehr Gott, sondern das Geld. Es gelang sogar, die Geldvermehrung zu steuern und eine mäßige Inflation zum Motor der Wirtschaft zu machen – eine enorme Leistung der Wissenschaft und der Politik. So ging es, mit Schwankungen, bis zur letzten großen Krise vor einigen Jahren. Und seitdem? Die Zentralbanken verleihen Geld zu null Prozent. Mit unserem Schulwissen ist das nicht mehr zu verstehen, und auch die Ökonomen scheinen überfordert. Es ist, wie wenn das Geld sein Eigenstes, seine Zeugungskraft verloren hätte, entmannt vom Bannstrahl eines alten Gottes, der die Zuchtlosigkeit des Kapitals nicht mehr mitansehen konnte. Aber umsonst – wo einst das Geld keimte zu neuem Geld, da wuchert es heute wie ein Krebsgeschwür in Aktienkurse, Bodenpreise, Wertanlagen aller Art hinein – oder aus ihnen heraus? – , unordentlich und unkontrollierbar, wie der Besen des Zauberlehrlings, und man kann nur beten, dass es besser wird.

Gerschrieben am 10.12.2017.