„Tod“ und „Gastrecht“

Die Odyssee ist die Geschichte eines Mannes, der auf das Gastrecht zwingend angewiesen ist; und oft genug wird er enttäuscht – so von Polyphem – oder gar betrogen – so von Kirke. Antinoos dagegen, der König der Phäaken, ist das leuchtende Vorbild der Gastfreundschaft; er nimmt den Gestrandeten in allen Ehren auf, und dieser erzählt seine Geschichte, während Nausikaas Liebe erblüht – ein Idyll, fast kitschig.

Das Gastrecht bedarf aber auch des rechten Gastes. Völlig falsch machen es Penelopes Freier: „Sie verpraßten das Gut und ehrten nicht die Gemahlin“[1], sie haben das Gastrecht verwirkt, mit Todesfolge. So zeigt die Odyssee ihren Zuhörern, wie man sich richtig verhält.

Auch die Bibel spricht vom Gast, aber sie tut das auf eine viel umfassendere Weise – die mit der Klimakatastrophe wieder an Klang gewonnen hat: „Ich bin ein Gast auf Erden; verbirg Deine Gebote nicht vor mir“[2], sagt der Psalmist. Ist das noch eine Bitte oder nicht schon ein Vorwurf? Es ist nämlich gar nicht so einfach, Gast zu sein, wenn man die Gesetze der Gastfreundschaft nicht kennt. Am Ende benimmt man sich daneben und muss sterben, wie einst die Freier. Darf ich noch Auto fahren? Rindfleisch essen? Wo beginnt die Versündigung? Vielleicht sagt es uns die Wissenschaft – ?

 

Geschrieben am 9.10.2017

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[1] Odyssee, 24. Gesang, Vers 459.

[2] Psalm 119 Vers 19.