„Adepten“ und „Erregung“

Jeder Mensch trägt ein paar Wörter mit sich herum, die er in seiner Jugend einmal und dann für immer falsch verstanden hat. So schien mir das Wort „Adept“ ein altmodischer Ausdruck für einen Schüler zu sein, der mit Hingabe, ja Besessenheit etwas Besonderes lernen will; z.B. könne man von einem Adepten der Lisztschen Klaviertechnik oder auch der Luhmannschen Systemtheorie sprechen. Ganz falsch lag ich nicht, denn ein Adept ist jemand, der, entsprechend begabt, in einer Geheimlehre unterrichtet worden ist. Freilich ist selbst das Geheime nicht mehr geheim – Franz Bardons Buch „Der Weg zum wahren Adepten“ ist für 36 Euro überall zu haben. Bardon lehrt unter anderem, wie man sein Bewusstsein aus dem eigenen Körper heraus in einen sogenannten Geistkörper verlegt, mit dem man dann unsichtbar überall hingelangen und alle möglichen Dinge beobachten kann – so dass nun vollends nichts mehr geheim bleibt. „Anfangs genügt es, einen Spaziergang in die Wohnung des Nachbarn zu machen“[1] – eine nicht zwingend erregende Vorstellung, die aber dem Buch bis heute 28 Auflagen beschert hat. Es gibt tatsächlich Leute, die das ausprobieren. Leute, die versuchen, ihre Mitbürger, sagen wir, beim Ausfüllen der Steuererklärung zu beobachten. In Schweden ist das auch ohne Geistkörper zu haben: der „Taxeringskalender“ erscheint jährlich und enthält alle Steuerdaten jedes Bürgers; er soll dort das meistverkaufte Buch sein.

9.4.2018

 

 

[1] Franz Bardon, Der Weg zum wahren Adepten. Ein Lehrgang in zehn Stufen. Theorie und Praxis. 18. Auflage, Freiburg im Breisgau 2000 (1. Aufl. 1955) S. 225.